Er ist jung, intelligent und hat mich eine Weile am Hals: Michael Krumm lektoriert live und manchmal auch in Farbe meinen Fantasy-Krimi „Die Tote in der Tränenburg“ für den Verlag „ALEA LIBRIS“. Grund genug, ihm mal ein paar Löcher in den Bauch zu fragen. 🙂

Teil 1 des Interviews findet Ihr hier: *KLICK*


10. Angenommen, ich würde nicht zuhören und Du könntest Dich mal nach Herzenslust über mich und/oder meine Schreibe/Rechtschreibung beschweren …?

Tatsächlich gibt es da nicht so viel. Vom Schreiben her kann ich mich nicht beschweren. Bei der Rechtschreibung denk ich mir immer: „AH, da kommt ein Doppelpunkt. Na, ist der Satzanfang danach groß?“ Aber ich nehme das immer mit Humor und das gehört zu der Arbeit dazu.
😀 Tatsächlich ist das nicht meine Schuld. Ich hatte das IMMER richtig gemacht, wurde aber von vermeintlich Besserwissenden immer „falschkorrigiert“. Aber danke, ab jetzt werde ich bei jedem Doppelpunkt an Dein Grinsen denken!
Hehe ;P Siehe oben ;P

Ein guter Lektor weiß, wie er das Geschriebene „seines“ Autors kritisiert, ohne ihn zu demotivieren.

11. Womit kann man einen Lektor glücklich machen?
Gute Frage. Mit vielem, aber vor allem mit einem gutem Text. Also, wo man nicht am Anfang denkt: „Ohje“. Das hatte ich bisher noch nicht, aber ich weiß, dass es das gibt. Dann natürlich eine klare Struktur im Text und keine Sätze, wo man dreitausend mal lesen muss. Selbiges wie davor, klar, ich lese manchmal manche Sätze mehrfach, aber es ist nicht so schlimm, dass ich mir den Kopf kratzen muss und denke, dass der Autor den Humanistischen Brief Heideggers nachmachen will. Wer das jemals lesen musste, weiß, was ich meine. Wer es nicht gelesen hat, tu es dir nicht an, außer es ist notwendig. Achja, und das ein oder andere Lob ist immer willkommen, man ist ja auch nur ein Mensch.
Ich finde, dass Du ein ganz wunderbarer Lektor bist! 🙂
Man dankt ;P

12. Stell Dir vor, wir würden nicht 2019, sondern 1969 leben. Würdest Du dann dennoch lektorieren wollen?
Hmm, an sich ja, die Frage wäre natürlich, was das für Texte wären. UND, was sonst noch passieren würde, wo ich stehen würde und und und. Aber prinzipiell würde ich es natürlich nicht ablehnen.

Lesen wirkt sich positiv auf die Rechtschreibung aus.

Aber Dir ist schon klar, dass wir das dann postalisch machen müssten? Oder oder per Telefon (kennst Du überhaupt noch Telefonzellen? 😀 )? Oder – so habe ich gehört – indem wir uns zusammen ein Wochenende lang irgendwo in einem Hotel treffen? Oh, und mit Schreibmaschine und so?
Ja, aber da würde sich es eher anbieten alles zu lektorieren und nicht nur kapitelweise. Ja, ich kenn noch die guten, alten Telefonzellen. Ich finde, dass das auch wieder etwas hat. Natürlich ist es einfacher via Whatsapp und Email zu kommunizieren, aber es wäre einfach ein anderes Format dann und vielleicht auch ganz lustig so. Vor allem hat man die Vorfreude zu erfahren, wie dann der Autor auf die Kommentare/Korrekturen reagiert noch mehr.

13. Gibt es einen „Lektorenstolz“?
Wenn es einen Autorenstolz gibt, dann definitiv ja. Man ist zwar nicht geistiger Eigentümer der Geschichte, aber, wenn man die Geschichte mag, und darauf stolz ist, dass es veröffentlicht wurde und es gut ankam, dann definitiv ja. Denn man hat mitgearbeitet um den Text, den der Autor veröffentlicht hat, zu dem zu machen, was er dann ist.
Bei Lektorieren selber auch, denn wenn man eine Stelle hat, wo man ewig diskutiert und beide Seiten etwas störrisch sind mit guten Argumenten in der Diskussion und man findet dann eine Lösung, mit der beide zufrieden sind. Das erfüllt einen schon mit Stolz. Und mit Erleichterung ;P

Das rechts ist ein Ingwer. ^^

14. Hast Du Dich schon mental für den Tag gewappnet, an dem Du in einer Printausgabe ein Fehlerchen entdeckst, das Dir durchgeflutscht ist?
Ja, ich werde mir denken: Ach Mist! Aber genauso werde ich denken, dass das ganz normal ist, weil man ist nur ein Mensch. Und selbst wenn zwei oder mehr Personen über den Text schauen, so wird man immer irgendwo einen Fehler finden. So ging es mir vor kurzer Zeit, als ich „Warrior & Peace – Göttliches Blut“ für ein Reading von mehr als 300 Seiten auf 50 Seiten Skript gekürzt habe. Also von 380(?) auf effektiv 40. Selbst mit meinen Schauspielern und trotz nochmaliger Anpassung durch einen davon, haben wir am Ende gemerkt, dass da noch ein paar Stellen waren, die man hätte umschreiben können und Fehler hätte wegstreichen können. Zum Beispiel: Erst am vorletzten Abend ist uns aufgefallen, dass eine Aufzählung an Personen nicht gepasst hat mit der Zahl, die kurz davor gegeben wurde.

Michael mag Tiere, Theater, Pflanzen und Bücher. Kein Wunder, dass wir uns verstehen.

15. 14. Was möchtest Du noch erzählen, wonach ich sträflicher Weise nicht gefragt habe?
Was du vergessen hast: Wie ich zu dem generischen Femininum in „Die Tote in der Tränenburg“ stehe oder generell meine Haltung zu der „weiblichen Form“ im Text. (Kurze Anmerkung hierzu: immer, wenn eine allgemein Aussage getroffen oder ein Plural benutzt wird, habe ich die weibliche Variante gewählt, also z.B. „Das geht keine etwas an“ oder „Das Heim fünf Angestelltinnen“.)
Tatsächlich finde ich es cool. Natürlich bedeutet es auch sehr viel Arbeit und genauso viel Investition an Zeit, aber es ist ein interessantes Gedankenexperiment (also das Setting und dadurch die Sprache). Da kommt ein bisschen der Linguist in mir durch, wenn ich dann auch etwas ändere oder anpasse: Z.B. „jung“ zu streichen, weil es vom Jungen kommt (also die Vorstufe zum Mann). Und es lässt einen selber darüber nachdenken, wie viel in unserer Sprache eigentlich generisch männlich ist. Was ich nicht schlimm finde, denn ich bin eher ein Vertreter des männlichen Generischen, vor allem *, Innen, oder meiner Meinung nach besonders schlimm, -nde(r)“ (Lehrender z.B.). Auch finde ich, muss man nicht immer das lesen, was man kennt und wie man selbst ist. Ich hatte da neulich eine Debatte via Twitter, ob man das eher lesen will, was einen selbst widerspiegelt. Das verneine ich nämlich, es ist auch schön so etwas zu lesen, aber genauso möchte ich über Frauen lesen, die was weiß ich was tun. Wichtiger finde ich, dass es gut lesbar ist und dass es interessant ist. Im besten Fall kann man sich mit dem Protagonisten identifizieren. Aber auch das muss meiner Meinung nicht sein. Dabei belasse ich es auch, weil das ist eine riesige Debatte.
Diesen Satz „Was ich nicht schlimm finde, ich bin eher ein Vertreter des männlichen Generischen vor allen *, Innen, oder meiner Meinung nach besonders schlimm, -nde(r)“ (Lehrender z.B.).“ verstehe ich nicht: Bist Du jetzt dafür oder dagegen? 😀
Für das generische Maskulinum mit natürlich einer Genderisierung, wenn konkret jemand angesprochen wird. Das bevorzuge ich (in der normalen Sprache) vor dem *, und so weiter. Sprache muss auch aussprechbar sein, deswegen finde ich das mit dem * z.B., auch wenn die Idee gut ist an sich, etwas schwierig.
Alles klar. Ich danke Dir für das Interview, lieber Michael, und für diese interessanten Einblicke in das Leben eines Lektors.
Und noch einmal vielen Dank für Deine tolle Arbeit!