Meine aktuelle Schreibherausforderung ist für mich vollkommen neu: Zwei Protagonisten haben sich gefunden (juchu!), bereiten mir aber leider formulierungstechnisch so einigen Kummer. Denn – die Überschrift hat es schon verraten – es handelt sich um zwei Männer.
Worin genau besteht das Problem?
Mal schauen. Ich schreibe einfach mal eine halbwegs private (und recht langweilige) Alltagsszene zwischen einem Mann-Frau-Pärchen, ich nenne sie Wolf und Irina. Als Erzählperspektive nehme ich den „allwissenden Erzähler„:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Irina einen Kuß auf ihre Wange.
Sie lächelte gut gelaunt ihn an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte er. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Sie ging zur Anrichte und gab ihm im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Wolf öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und ihren Käse heraus. Dann machte er sich daran, den Tisch zu decken. Dabei er als kleine Überraschung auf ihrem Platz einen Strauß Gänseblümchen, den er am Vorabend heimlich gepflückt und im Schrank drapiert hatte. Als Irina ihm seinen Kaffee brachte, legte er seinen Arm um sie und zog sie zu sich heran.

So weit, so langweilig, aber das Prinzip ist klar geworden: Hier gibt es nichts, was irgendwie kompliziert erscheinen würde. Doch was, wenn aus Irina plötzlich Juri wird?

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf seine Wange.
Er lächelte ihn gut gelaunt an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte er. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Er ging zur Anrichte und gab ihm im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“ „Gerne doch!“ Wolf öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und seinen Käse heraus. Dann machte er sich daran, den Tisch zu decken. Dabei kleine platzierte er als kleine Überraschung auf seinem Platz einen Strauß Gänseblümchen, den er am Vorabend heimlich gepflückt und im Schrank drapiert hatte. Als Juri ihm seinen Kaffee brachte, legte er seinen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran.

Bereits im zweiten Satz wird klar, dass es unverständlich wird, wenn für zwei Menschen die selben Pronomen benutzt werden: er, sein, ihm, ihn.

Eine Möglichkeit wäre es, öfters die Namen der Männer zu benutzen:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf seine Wange.
Juri lächelte ihn gut gelaunt an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte Wolf. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Wolf ging zur Anrichte und gab Juri im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Wolf öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und Juris Käse heraus. Dann machte er sich daran, den Tisch zu decken. Dabei kleine platzierte er als kleine Überraschung auf Juris Platz einen Strauß Gänseblümchen, den er am Vorabend heimlich gepflückt und im Schrank drapiert hatte. Als Juri ihm seinen Kaffee brachte, legte Wolf seinen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran.

Inhaltlich ist die Textstelle jetzt wieder gut zu verstehen; dafür liest sie sich nicht sonderlich elegant, die Namen werden einfach zu oft genannt!
Was kann helfen? Die Namen durch andere Umschreibungen zu ersetzen? Mal schauen … Sagen wir, Wolf hat schwarze und Juri braune Haare. Wolf ist Innenarchitekt und Juri Landschaftsgärtner, Juri ist 42 Jahre als und Wolf 38. Dann mal los!

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf seine Wange.
Der Landschaftsgärtner lächelte ihn gut gelaunt an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte der Innenarchitekt. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Wolf ging zur Anrichte und gab dem Älteren im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Der schwarzhaarige Mann öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und Juris Käse heraus (…)

Man sieht schon: Das wird nichts!
Zunächst einmal müsste man gewährleisten, dass die Leser auch WISSEN, welche Haarfarben und Berufe die Beiden ausüben und wie alt sie sind. Das geht, aber die Frage ist erstens, ob sich der Leser all das merken kann und zweitens, ob er das überhaupt möchte?
In Zeitungsartikeln wird oft so gearbeitet, dass neben dem Namen einer Person auch deren Alter, Familienstand, Beruf und Wohnort genannt wird:

„Mir geht es nur die Kinder“, so Gerda Wiesenhof. Die 53jährige habe dabei keinen Sinn für Humor.
„Die sollen sich mal nicht so anstellen“, erklärt die Wiesbadenerin. „Die waren doch auch mal klein!“
Die Frau, die selbst Mutter dreier Kinder ist, ist empört über die Intoleranz mancher Anwohner.

Man merkt sofort den Unterschied. Zum Einen dienen die Umschreibungen hier der Informationsvermittlung: für Leser ist es oft interessant, mehr über die Person zu erfahren, die zitiert wird. Zum Anderen wäre es hier kein Lesevergnügen, wenn Frau Wiesenhof in diesem kurzen Textstück vier mal „Frau Wiesenhof“ genannt werden würde.
Die Zusatzinformationen haben hier also eine Berechtigung, einen Mehrwert. Da zudem nur von einer einzigen Person die Rede ist, ist absolut klar, dass es sich auch bei der 53jährigen, der Wiesbadenerin und der Frau mit den drei Kindern um Frau Wiesenhof handelt. Alles kein Problem!
Aber in einem Roman? Hmpf.

Hinzu kommt die Situation, die erzählt wird. Es gibt in fast jedem Buch haufenweise Dialoge unter Männern oder Frauen, die absolut kein Problem sind! In „Eisiger Zorn“ hatte ich da auch nie Probleme, obwohl sehr oft nur Frauen unter sich sprechen.
Der Unterschied jetzt ist, dass die Bezeichnungen der einzelnen Personen auch die Stimmung und die Beziehung zwischen ihnen widerspiegeln. Es ist etwas ganz anderes, ob sich zwei Freunde oder Bekannte unterhalten, oder zwei beste Freunde oder ein Liebespaar.

Probieren wird das doch mal aus und stellen uns vor, Wolf und Juri seien nur Freunde und Mitbewohner:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf seine Wange., als er die Küche betrat. Er lächelte seinen Mitbewohner Juri gut gelaunt an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte dieser. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Juri ging zur Anrichte und gab ihm im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Wolf öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und Juris Käse heraus. Dann machte er sich daran, den Tisch zu decken. Dabei kleine platzierte er als kleine Überraschung auf seinem Platz einen Strauß Gänseblümchen, den er am Vorabend heimlich gepflückt und im Schrank drapiert hatte. Als Juri ihm seinen Kaffee brachte, legte er seinen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran.

Hier sind auch „Informationszusätze“ (in einem vernünftigen Rahmen) denkbar, sofern sie RELEVANT sind. Handelt es sich bei Wolf und Juri um Azubis, könnte die Fachrichtung erwähnenswert sein. Macht sich Juri über Wolfs Akzent lustig, ist es kein Problem, ihn als gebürtigen Berliner, Hessen, Sachsen etc. zu umschreiben.
Da gibt es so viele Möglichkeiten … sie müssen nur passen!

Was aber könnte die Textstelle für unsere zwei Liebenden retten? Ein Wechsel der Erzählperspektive vielleicht?
Ganz einfach wird es natürlich, wenn man in der Ich-Form schreibt.
Einmal als Wolf:

„Guten Morgen“, sagte ich und gab Juri einen Kuß auf seine Wange.
Er lächelte mich an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte ich. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Er ging zur Anrichte und gab mir im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“ (…)

Und einmal als Juri:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab mir einen Kuß auf seine Wange.
Ich lächelte ihn gut gelaunt an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte er. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“ Ich ging zur Anrichte und gab ihm im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. (…)

So kann man problemlos er/sein/ihm/ihn durch ich/mein/mir/mich ersetzen und alles ist gut und wunderbar verständlich.
Dumm nur, wenn man die Geschichte eigentlich garnicht in der 1. Person schreiben will …

Abhilfe könnte es schaffe, den allwissenden Erzähler gegen eine personale Erzählform einzutauschen.
Man könnte also aus Sicht von Juri oder Wolf schreiben, aber dennoch die 3. Person beibehalten. Auch da gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Variante 1:
Der Einfachheit halber kann man sich bei dieser Erzählperspektive vorstellen, dem Protagonisten, etwa Wolf, säße eine Kamera auf dem Kopf. Wir „sehen“ also nur, was er sieht. Als Gegenleistung ist viel häufiger klar, auf wen sich das er/sein/ihm/ihn bezieht, nämlich auf den Anderen, in diesem Fall Juri:

Konkret am Beispiel:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf seine Wange.
Wolf lächelte ihn an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte er. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Juri ging zur Anrichte und gab Wolf im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Wolf öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und Juris Käse heraus. Dann machte er sich daran, den Tisch zu decken. Dabei platzierte er auf Juris Platz einen Strauß Gänseblümchen.
Als er ihm seinen Kaffee brachte, legte Wolf seinen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran.

(Dass die Blumen eine kleine Überraschung sein sollen, weiß der Kamera-auf-dem-Kopf-Erzähler ja nicht!)

Variante 2:
Wir lassen den Erzähler in Bezug auf eine Person allwissend sein, also hier mal in Bezug auf Wolf:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf seine Wange.
Juri lächelte ihn an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte er. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Juri ging zur Anrichte und gab ihm im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Wolf öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und Juris Käse heraus. Dann machte er sich daran, den Tisch zu decken. Dabei platzierte er als kleine Überraschung auf Juris Platz einen Strauß Gänseblümchen, den er am Vorabend heimlich gepflückt und im Schrank drapiert hatte.
Als Juri ihm seinen Kaffee brachte, legte Wolf seinen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran.

Die feinen Unterschiede werden etwas deutlicher, wenn ich das jetzt nochmal mit Juri mache:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf seine Wange.
Juri lächelte ihn gut gelaunt an. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, erwiderte er. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“
Juri ging zur Anrichte und gab ihm im Vorübergehen einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Wolf öffnete die Kühlschranktür und holte seinen Joghurt und Juris Käse heraus. Dann machte er sich daran, den Tisch zu decken.
Als Juri ihm seinen Kaffee brachte, legte Wolf seinen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran.

Ob Juri gut gelaunt ist, können nur zwei „Personen“ wissen: Juri und der Allwissende Erzähler.
Dass Wolf auf Juris Platz Blümchen platziert, können nur Wolf und der Allwissende Erzähler sehen, da Juri ja noch anderweitig beschäftigt ist. Juri kann das also erst später sehen. Dass Wolf die Blumen am Vorabend heimlich gepfückt und im Schrank drapiert hat, kann Juri auch nicht wissen; es sei denn, jemand erzählt es ihm.

(Solche Dinge gilt es vor allem auch bei der Ich-Perspektive zu beachten, da werden oft Fehler gemacht. Man stelle sich einen Satz vor wie „Während ich an der Kaffeemaschine herumhantierte, platzierte er als kleine Überrraschung auf meinem Platz einen Strauß Gänseblümchen, den er am Vorabend heimlich gepfückt und im Schrank drapiert hatte.“ Ein absolutes Unding, das aber garnicht mal so selten vorkommt, :D)

Ich habe mein Anliegen auch in dem von mir hoch geschätzten Schriftstellerforum zur Diskussion gestellt bzw. habe dort um die Hilfe der lieben Kollegen gebeten.
(Sicher wäre es auch hilfreich, sich Geschichten mit homosexuellen Pärchen anzuschauen, jedoch ist das meist etwas Romantisches und daher vom Genre her überhaupt nicht meins, auch nicht in der Hetero-Fassung, brrr!)

Ich bekam viele hilfreiche Tipps und Ideen; es wird also wohl auf reines umschreiben hinauslaufen.
Dabei kann man recht geschickt vorgehen und einen gut lesbaren und flüssigen Text fabrizieren:

„Guten Morgen“, sagte Wolf und gab Juri einen Kuß auf die Wange, worauf ihn dieser anlächelte.
„Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“
„Danke“, antwortete Wolf. „Sehr gut. Und du?“
„Ich auch.“ Juri gab seinem Liebsten im Vorübergehn einen Klaps auf den Hintern. „Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Gerne doch!“ Wolf holte sich Joghurt. Er stellte Juri seinen Lieblingskäse hin und platzierte daneben als kleine Überraschung einen Strauß Gänseblümchen, den er am Vorabend heimlich gepflückt und im Schrank drapiert hatte.
Als Juri ihm Kaffee brachte, legte Wolf seinen Arm um ihn und zog ihn zu sich heran.

Das klingt gut (bzw. würde gut klingen, wenn die Szene irgendwie spannend wäre), also könnte ich zufrieden sein.
Bin ich aber nicht, denn ein Problem bleibt: Der Stilbruch!
Ich MUSS, wenn ich es mit einem gleichgeschlechtlichen Paar zu tun habe, anders schreiben, als bei einem Hetero-Paar. Aber vielleicht fällt mir dafür ja eines Tages auch noch eine Lösung ein …

Kleiner Tipp für Schreibanfänger: Es ist eine tolle Übung, eine Geschichte oder ein kurzes Textstück, das man geschrieben hat, einfach mal aus einer anderen Perspektive heraus zu schreiben. Einfach mal die Erzähler durchwechseln, das verschafft einem schlimmstenfalls Übung und bestenfalls stößt man auf eine Erzählweise, die die Geschichte viel spannender macht! 🙂