Im Endeffekt ist es mit der Länge des Buches wie mit der Einnahme eines Medikamentes: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.„,
schrieb ich in einem vorherigen Beitrag.

Damit meine ich nicht, dass man auf ausführliche Beschreibungen oder Nebenhandlungsstränge verzichten soll. Aber sie müssen relevant sein und einem Zweck dienen. Dieser Zweck kann durchaus sein, beim Leser eine bestimmte Stimmung zu erzeugen oder das Buch vielschichtiger und spannender zu gestalten. Was aber überflüssig ist, muss weg!

Als Beispiel greife ich einfach mal Harry Potter und die Twilight-Reihe auf, weil diese Bücher sehr bekannt sind.
Wenn ich mich recht entsinne, wird während Harry Potters gesamter Schullaufzeit nur einmal davon berichtet, dass er ein Bad nimmt (Band 4). Auch davon, wann und wie oft er eine Toilette aufsucht wird nicht berichtet, außer, es ist für den Fortgang der Geschichte wichtig. So etwa in Band 1 und in Band 2. Allerdings besucht er da die Örtlichkeiten (der Mädchen) aus zweckfremden Gründen.
In den Twilight-Büchern wird öfters erwähnt, dass Bella duschen geht oder Zeit im Badezimmer „für Menschliches“ braucht. Warum das Sinn macht, das zu erwähnen und auch ein paar nette „Aha!“-Erlebnisse schafft, leuchtet jedem ein, der die Reihe kennt (Ich möchte hier nicht spoilern).
Würde ich aber jedes Mal schreiben, dass mein/e Protagonist/in zur Toilette geht, duscht oder ein Bad nimmt, würde sich der Leser schnell fragen, was das soll?

Dieses Beispiel ist bewusst auffällig gewählt. Wesentlich öfter verzetteln sich manche, indem sie detailiert beschreiben, was eine Person zwischen zwei relevanten Handlungen noch so alles macht:

Sie stand auf und streckte sich. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es höchste Zeit war. Sie ging ins Bad und duschte. Dann ging sie in die Küche und machte sich einen Kaffee. Dazu aß sie einen Marmeladentoast, den sie sich schnell zubereitet hatte. Dann ging sie wieder ins Badezimmer, um sich die Haare zu kämmen und zu schminken. Dann schnappte sie sich Schlüssel und Handtasche und ging aus dem Haus. Es regnete.

Langweilig, nicht wahr?
Das Ganze lässt sich wunderbar herunterkürzen auf:

Als sie an diesem Morgen das Haus verließ, regnete es.

Solche Kürzungen sind schmerzhaft, weil jedes einzelne geschriebene Wort eine Leistung ist, die einem weggenommen wird. Man hat Zeit, Mühe und Herzblut in einen ganzen Absatz investiert und der soll jetzt einfach gestrichen werden? Dieses Gefühl sich selbst zu berauben ist ganz scheußlich. Man stelle sich vor, gerade die ganze Wohnung geputzt zu haben nur um dann gezwungen zu werden, einen Eimer Matsch über den blitzblanken Fußböden auszukippen.
Doch leider muss es manchmal sein.

Die gute Nachricht ist, dass es besser wird. Anfangs habe ich mich mit Kürzungen sehr schwer getan, musste aber bald schon zugeben, dass jeder meiner Prosatzexte von Kürzungen profitiert hat.
Vor Allem bei Kurzgeschichten tut das dem Text einfach nur gut. Ich habe mir daher angewöhnt, bei kurzen Texten IMMER hinterher noch zu schauen, ob ich etwas kürzen kann, auch wenn ich es von den Vorgaben her gar nicht müsste. Gerade bei Kurzgeschichten kommt es darauf an, den Leser zügig in die Handlung einzuführen, rasch Spannung aufzubauen und das Ganze entsprechend schnell aufzulösen. Bei längeren Texten oder gar Büchern hat man so gesehen mehr Zeit. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass nicht jeder Leser die Geduld besitzt, langatmige Passagen durchzulesen.

Egal ob man kürzt, weil man muss (z.B., weil man für einen Beitrag 1.000 Zeichen zu viel hat) oder ob man es freiwillig tut, man muss sorgsam vorgehen. Wichtig ist, dass die Handlung nach wie vor Sinn ergibt und die einzelnen Stränge und Reaktionen weiterhin aufeinander aufbauen. Man kann man nicht einfach hier und da einen Satz weglassen, sondern muss den übrig geblieben Text unter Umständen „operieren“, ihn umschreiben. Das ist schmerzhaft und langwierig, verschafft einem aber auf Dauer die Übung, die man braucht, um seinen Schreibstil zu verbessern.

Ein gutes Maß ist, sich nach jedem Absatz oder nach jedem Kapitel zu fragen: „Wie lautet die Aussage dieses Absatzes? Was möchte ich dem Leser an dieser Stelle vermitteln? Wie wird die Handlung hier vorangebracht? Welche wichtigen Informationen sollen vermittelt, welche Stimmung erzeugt werden?“

Findet man auf keine dieser Fragen eine Antwort, kann der Absatz getrost gelöscht werden.

Eine weitere, gute Möglichkeit zu kürzen ist es, einfach das ein oder andere überflüssige Füllwort und eventuell auch mögliche „Weichmacher“ zu streichen:
„Eine weitere Möglichkeit zu kürzen ist es, Füllwörter und ‚Weichmacher‘ zu streichen.“

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