„Schreiben ist ein Handwerk.“
Als ich diesen Satz zum ersten Mal las, habe ich sofort Protest eingelegt.
„Schreiben ist Kunst“, sagte ich, „Man kreiert Worte, erschafft Welten, das ist ein künstlerischer Akt der Kreativität bitteschön!“

In der Schule lernen wir das Schreiben. Zunächst die Grundbausteine: Rechtschreibung und Grammatik.
„Geht es nicht auch ohne? Spielt es wirklich eine Rolle, ob man sich akkurat an die Regeln hält? Das ist doch alles nicht so wichtig. Hauptsache, der Inhalt stimmt!“
Jein.
Das Auge isst nicht nur bekanntlich mit, es liest auch mit. Es kann einem immer mal hier und da ein Fehler durchrutschen, das ist ganz normal. Aber zu viele Fehler verderben den Text, stören den Lesefluss und so auch die Aufnahme des Inhaltes.
Gute Rechtschreibung und korrekte Grammatik werden einen schlechten Text nicht gut machen. Aber fehlerhafte Rechtschreibung und falsch angewandte Grammatik können einen guten Text verderben.

Natürlich ist das Schreiben an sich ein kreativer Prozeß. Erst einmal. Und dann kommt der Rest.
Die Allerwenigsten können einfach so einen guten Text „runterschreiben“. Vielmehr stecken eine Menge Überarbeitungen dahinter, darauf werde ich noch in einem anderen Beitrag genauer eingehen. Und genau das ist der Punkt, an dem spätestens  das „Handwerk“ einsetzt, an dem jedem Schreiberling klar werden sollte, dass Kreativität keine sorgfältige Arbeit ersetzt.

Dies wird vielleicht deutlicher, wenn man jene Menschen betrachtet, die nach festen Vorgaben schreiben müssen. Etwa Texter, die für die Internetseite einer Firma diese vorstellt oder ein Journalist, der über eine Gewerkschaftssitzung berichten soll. Beide werden sich in der Regel nach einer ungefähre Zeilenvorgabe zu richten haben, die sie nicht überschreiten dürfen. Weiter muss der Inhalt natürlich auf den Leser, also die Zielgruppe ausgerichtet sein und bestimmte Kriterien erfüllen, man kann nicht einfach schreiben, was oder wie man möchte. So kann es etwa sein, dass der Auftraggeber noch bestimmte Extrawünsche hat: Der Firmenchef könnte besonderen Wert auf die Enstehungsgeschichte Wert legen, der zuständige Redakteur auf geehrte Jubilare.
Solche „Auftragsschreiberei“ betreibt man natürlich auch, wenn man an Schreibwettbewerben teilnimmt. Die dortigen Vorgaben reichen von „Thema und Genre sind frei wählbar, Länge bis max. 30.000 Zeichen.“ bis „Genre: Krimi, Länge: 8.000-10.00 Zeichen, die Geschichte muss in Pusemuckelstadt spielen und es müssen die Wörter Elefant, Fußball, Eisenbahn, Donau und Wackelpudding verwendet werden. Weiter muss der Hauptprotagonist ein Mann in den Vierzigern sein, der gerade etwas verloren hat.
Natürlich bleibt auch bei solchen Schreibereien immer ein gewisser kreativer Spielraum; je nachdem kleiner oder größer.

Wenn man Schreiben nun tatsächlich als Handwerk betrachtet, wird schnell klar: Das muss man erst lernen.
Wie Oben bereits angeführt, lernen wir in der Schule viel darüber. Aber reicht das aus? Muss man, um wirklich gut schreiben zu können, nicht irgendwie „in die Lehre gehen“?

Und wieder lautet die Antwort „Jein“.
Es gibt zahlreiche „Workshops“ und Lehrgänge für angehende Schriftsteller, VHS-Kurse in kreativem Schreiben und, und, und. Die können hilfreich sein, garantieren aber natürlich keinen Erfolg. Zudem sollte man sich vorher ganz genau das jeweilige Angebot anschauen. Deratige Fortbildungen sind nämlich oft sehr kostspielig und leider gibt es auch in dieser Branche einige schwarze Schafe.

Es gibt sie natürlich, die absoluten Naturtalente, bei denen jeder Satz gleich ein Meisterwerk ist. Zumindest soll es solche Menschen geben, getroffen habe ich noch keinen,  😀

Und es gibt natürlich jene, die sich das Schreiben selbst beibringen.
Ich bin kein Schreiner, habe aber auch schon einen Tisch gebaut. Ich habe mich genau darauf vorbereitet, habe recherchiert, wie genau das geht, welche Materialien man verwenden kann, welche Gerätschaften man dafür braucht, wie man am besten vorgeht. Dann habe ich losgelegt, ganz klassisch nach dem „Trial and Error“-Pronzip, frei nach dem Motto: „Versuch macht klug“.

Es gab einige Fehlschläge, aber schließlich war der Tisch fertig. Er ist kein Meisterstück und reicht nie und nimmer an das Stück eines gelernten Tischlers heran. Aber er gefällt mir. Und ich habe jede Menge dabei gelernt. Tatsächlich habe ich einige Monate später gemeinsam mit meinem Mann noch einen Tisch gebaut und ich konnte bereits von vorherigen Erfahrungen profitieren, handelte schneller, effizienter, überlegter. Und wieder gab es jede Menge Fehler und Situationen, aus denen ich lernen konnte. Übung schafft Erfahrung, und das ist beim Schreiben nicht anders: Je öfter und mehr man schreibt, desto mehr Übung bekommt man darin.
(Übrigens gibt es im Internet auch viele Foren, die (kostenlos) Schreibübungen veranstalten.)

Der Knackpunkt liegt hier in der Reflexion: Wenn ich einen Tisch baue, der nicht stabil genug ist, werde ich das spätestens dann merken, wenn er umfällt oder in sich zusammenbricht. Diese klare Sicht habe ich auf meinen Text leider nicht, dafür bin ich auf liebe Mitmenschen angewiesen, die mir sagen, ob der Plot etwas taugt, ob die Spannung vorhanden ist, ob die Charaktere glaubhaft und das Geschehen logisch aufgebaut ist.
Weisen mich meine Testleser (manche sprechen auch von „Alpha-“ bzw. „Beta-Lesern“) dann auf Fehler in meiner geschriebenen Konstruktion hin, kann ich den Text „reparieren“.

Man kann sich eine Menge selbst beibringen und wohl niemand lässt sich gerne kritisieren, aber es ist unglaublich wichtig, sich über seine Arbeiten Rückmeldung zu holen. Wie erwähnt, sieht man selbst oft nicht, ob und wenn ja woran ein Text krankt. Das liegt daran, dass man als Autor mitten drin steckt, man selbst ja alle notwendigen Informationen in seinem Kopf gespeichert hat, der Leser aber nicht. Es hat nichts mit Schwäche oder Bedürftigkeit in der Richtung zu tun, seinen Text von jemandem probelesen zu lassen, im Gegenteil: Es zeigt, dass man das Schreiben ernst nimmt und bereit ist, zu lernen und sich zu verbessern. Und spätestens wenn man einen Verlagsvertrag in er Tasche hat, durchläuft der Text das Lektorat. Ich persönlich kann voller Überzeugung sagen, dass ein guter Lektor Gold wert ist! Der Lektor ist keineswegs der „Feind“ eines Autors, wie man es leider oft hört. Er (oder sie) ist der beste Freund des Autors, ein Verbündeter, der einem hilft, seinen Text besser zu machen, der einen auf kleine Risse und Macken hinweist – und einem anschließend ein Dose Politur in die Hand drückt. 🙂

Wie man gute Testleser findet und was man beachten muss, erzähle ich an anderer Stelle

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