Wieso findet man so schlecht Fehler im eigenen Text?

1..Die Betriebsblindheit
Fehler in den Texten anderer Menschen zu finden, ist weitaus einfacher, als beim eigenen Text, man ist oft „betriebsblind“; man meint, das Geschriebene bereits zu kennen und überfliegt es nur noch. Oder aber, man lässt sich von dem beschriebenen Geschehen wieder sofort derart fesseln, dass man die Rechtschreibung wieder aus den Augen verliert.

2. Die Buchstaben
Die Buchstaben der meisten Schriftarten sind gleichförmig; die wenigen Schrifttypen, die „individuellere“ Buchstaben liefern, sind für längere Texte zu schwierig zu lesen. Dadurch fallen Fehler viel weniger auf, etwa in Bezug auf „m“ und „n“. Beide Buchstaben sehen in meiner Handschrift deutlich anders aus als getippt und inmitten eines Wortes.

3. Das menschliche Gehirn
Das Gehirn ist zu erstaunlichen Leistungen fähig. Unter anderem hilft es mit ein bisschen Übung, Dinge schneller tun zu können. Wie auch das Lesen. Und mit noch mehr Übung hilft uns das Gehirn Muster zu erkennen und Buchstaben und Wörter zu erkennen, die gar nicht da sind.
Wohl jeder kennt es, sich zu ver-lesen: Man „liest“ nur den Wortanfang und meint, aufgrund von Erfahrungswerten wie der Häufigkeit bestimmter Wortvorkommen auf den Rest des Geschriebenen schließen zu können. Ist in einem Gespräch zwischen zwei Frauen von einem fiesen Mann die Rede, kann es sein, dass wir anstelle von „Ex-Friseur“ tatsächlich „Ex-Freund“ lesen. Wir erkennen also nicht immer, was wir sehen, sondern das, was wir erwarten zu sehen.
Im Umkehrschluß bedeutet das, dass wir in der Lage sind, Wörter auch trotz Lücken zu erkennen, unser Gehirn füllt die Lücken – im Guten wie im Schlechten. Anders wären Spiele wir Galgenmännchengalgenmaennchen
oder Wortformraten

welches-wort

oder sowas hier:

rechtschreibreform
nicht möglich.

Dumemr Weise ist es so aber auch mölgich, jede Megne Fehelr zu überlseen.
Wiztiger Weise tirfft das Menshcen mit mehr Leseroutnie mehr als Lesefaule.

4. Die (Mit-)Gesprochene Sprache
Ein Grund, warum man Fehler nicht findet, kann sein, dass man in Gedanken falsch mitliest. Kaum einer spricht immer formvollendetes Hochdeutsch. Da wird aus „Bist“ schonmal gerne „Bis“, aus „wollen“ wird „wolln“ oder aus „schauen wir mal“ ein „schaun wir ma“. Wenn man dann in Gedanken im Dialekt mitliest, kann man Fehler überlesen, weil sie ja mit dem gedachten Klang des Wortes übereinstimmen.
Richtig fies ist, dass manche Worte auch falsch geschrieben richtige Worte sind; die Rechtschreibüberprüfungsprogramme finden somit keinen Fehler.
Ein paar Beispiele (siehe Beitragsbild), jeweils auch umgekehrt gelten:
– „Bis“ statt „Bist“
– „Seit“ statt „Seid“
– „Morgen“ statt „morgen“ („Der Morgen“, aber „morgen Früh“)
– „Weiß“ statt „Weißt“
– „Weise“ statt „Waise“
– „Bunt“ statt „Bund“
– „Jung“ statt „Junge“
Oder auch:
– „kein“ statt „klein“
– „sein“ statt „fein“
– „uns“ statt „und“
– „am“ statt „an“
– Singular statt Plural

5. Der Bildschirm
Ich weiß nicht warum, aber es fällt mir schwerer, am Bildschirm Fehler zu erkennen, als wenn ich einen Text in Papierform vor mir habe. Liegt es an der Beleuchtung? Am Blickwinkel?
Auf jeden Fall ist der Unterschied groß. Auch Fehler in Texten anderer springen mir auf Papier, Schildern (vor allem sogenannte „Deppenapostrophs„) oder sonstigen Gegenständen viel direkter ins Auge.

Im nächsten Beitrag erkläre ich, wie man Fehler vermeiden oder zumindest besser finden kann.

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