Ende

Gibt es etwas Schöneres, als dieses kleine Wort unter einen Roman zu setzen?

Die monatelange Planung hat ihren Zweck erfüllt, die vielen vielen Wochen, an denen man Tag für tiefen Nacht vor dem Bildschirm gesessen und eventuell Mitbewohner mit dem ständigen Tastaturklackern in den Wahnsinn getrieben hat, haben sich gelohnt: Blut, Schweiß, Tränen und jede Menge Herzblut haben sich auf geradezu magische Weise auf dem Bildschirm zu einer Geschichte, zu einem ganzen Buch zusammen gesetzt.

Ende

Jetzt heißt es durchatmen, verschnaufen, ausruhen. Die kreativen Akkus wieder aufladen, sich wieder mit Freunden treffen, überhaupt wieder am sozialen Leben teilnehmen, überhaupt mal wieder vor die Tür gehen. Schreibphase beendet:

Ende

Und natürlich dann DER Check schlechthin: wie man bei einem Neugeborenen Fingerchen und Zehen zählt, so zählt die stolze Autorin natürlich Wörter und Zeichen. Beziehungsweise lässt zählen. Schön ist das

Ende

Doch nach einiger Zeit wohligen Stolzes schleicht sich ein ganz anderer, erschreckender Gedanke ein: Das ist noch nicht das Ende!
Der Roman mag zuende sein, die Arbeit ist es aber noch lange nicht; vielmehr steht die noch ganz am Anfang!
Denn zwischen Verlagssuche oder Abgabe an einen Verlag und das Wörtchen „Ende“ haben die Götter noch etwas anderes gesetzt.
Eine winzige Kleinigkeit?
Wohl kaum!
Eher einen riesengroßen, monströsen Giganten! Und sein Name ist „Überarbeitung“!

Allein der Gedanke daran bringt mich mehr zum schaudern als Freddy Krüger, mehr zum Seufzen als der Anblick des vollen Wäschekorbes und ermüdet mich mehr als 20 Minuten auf dem Crosstrainer.
Die Überarbeitung.

Kann man es denn nicht jetzt einfach gut sein lassen? Sich zurücklehnen und eine wohlverdiente Pause einlegen? Das Ding einfach abschicken und gut ist? Wozu gibt es denn das Korrektorat und das Lektorat? Dafür hat der Verlag doch schließlich extra Leute, oder etwa nicht? Also muss ich, ICH, ich armes Schriftstellerchen jetzt wirklich ernsthaft und ohne Witz NOCHMAL da dran

Ja.

Es gibt Dinge, die macht man. Man spült die Plastikdose, bevor man sie dem Nachbarn zurückgibt, man räumt die Wohnung auf, bevor Besuch kommt, man zieht sich zu einem Vorstellungsgespräch ordentlich an UND man überarbeitet sein Manuskript, bevor man es einem Verlag oder einer Agentur zeigt. So ist das. Punkt.

Eine unbearbeitete Seite mit 0 Fehlern. Wunderschön, doch leider sehr, sehr selten.

Ich hatte schon ein paar Mal über Fehler und wie sie entstehen berichtet. (Etwa hier: *KLICK*) Es mag Menschen geben, die fehlerfrei tippen könne – ich gehöre nicht dazu.
Nein, das muss ich anders ausdrücken: Wenn man im Schreibmodus ist, dann passieren Vertipper. Weil man schnell schreibt und weil es um die Geschichte geht; Rechtschreibung ist da nichtmal zweitrangig!
Natürlich könnte ich fehlerfrei tippen. Dann müsste ich aber primär darauf achten, was zu Lasten der Geschwindigkeit und der Geschichte gehen würde. Und während eines Schreiblaufes korrigieren? Tödlich, lasst das bloß sein!

Beim Tippen passieren Fehler, die man handschriftlich nie machen würde. Derjenige, der das erste automatische Rechtschreibüberprüfungsprogramm erfunden hat, sollte einen Nobelpreis bekommen, ehrlich. Dennoch reicht es leider nicht aus, F7 zu drücken und seinen Text damit durchzugehen. Ich empfehle immer, sich das Manuskript auszudrucken. Viele Menschen sehen auf Papier einfach anders, als am Bildschirm. Ich auch.

Ich gehe dann so vor: Ich teile mir den Textausdruck in sechs Stapel, die ich jeden für sich abhefte. So zerkleinere ich diese Mammutaufgabe und habe nicht immer so einen riesigen, mutlos machenden Riesenstapel vor mir liegen. Stattdessen hübsche kleine Häppchen. Ja, solche kleinen Psychotricks funktionieren tatsächlich! 🙂
Und dann geht es los: Gemütlich aufs Sofa, einen Stapel und einen grünen Stift.
Einen grünen Stift? Zum Fehler anstreichen?
Natürlich! Farbpsychologie vom Feinsten: Rot würde ja bedeuten, dass ich etwas schlecht gemacht habe. Aber das Gegenteil ist ja der Fall: ich arbeite das Manuskript durch, um es zu verbessern!
Also grün: jeder Treffer ist ein Erfolg!
Und so fühlt es sich auch an, wenn man wieder einen Stapel durchkorrigiert hat.

Nach dieser zugegeben nur beschränkt unterhaltsamen Arbeit kommt das für mich Schlimmste von allem: die Rückübertragung der Korrekturen via PC! Ahrg!

So sieht es im Schnitt aus, wenn ich eine Seite durchgearbeitet habe.

IMMER rückwärts übrigens, also mit dem letzten Stapel beginnen.
Wieso?
Weil sich sonst zu viel mit der Zeit verschiebt – man ergänzt oder schreibt ja auch schonmal ganze Sätze oder Passagen – und man dann am Monitor viel zu lange suchen muss, um die richtige Textstelle zu finden

Viele Autoren schwören darauf, zwischen „Ende“ und der Überarbeitung einige Monate verstreichen zu lassen. Weil man dann eine Distanz zum eigenen Text hat, nicht mehr „drin“ ist und so einen besseren Blick für eventuelle Fehler und Schwächen hat. Das ist absolut logisch, macht Sinn, und ich empfehle das jedem. Allerdings bin ich selbst viel zu ungeduldig dafür, 😀

Wichtig ist übrigens auch, sich Fragen, Ideen, Anmerkungen oder Dinge, die man nochmal überprüfen muss, IMMER aufzuschreiben! Verlasst Euch bloß nicht darauf, dass es Euch zu gegebener Zeit schon noch wieder einfällt …

Ich selbst notiere so etwas immer auf der letzten Seite des jeweiligen Stapels – und hake sie ab, wenn sie erledigt sind. Das ist einfach, aber effektiv

So, und nun Butter bei die Fische:
Wie viele Fehler habe ich wohl bei meinem Manuskript, welches aus ca. 100.000 Wörtern und über 600.000 Zeichen besteht, gefunden und korrigiert?
5.
Pro DIN A4-Seite.
5 Fehler pro Seite sind nicht viel.
Aber von denen gibt es 270.
Ahrg.

Worst case: Eine Seite zum fürchten!

Man rechne das gerne hoch: über 1.000 Fehler und Fehlerchen – und sicher tummeln sich noch so einige unentdeckte in dem Manuskript. So aber kann ich meine Geschichte nun mit 1.000 Fehlern (!) weniger vorzeigen. Da hat sich die Arbeit doch gelohnt, oder?

Nochmal an die Schreiber unter Euch: Wenn Ihr so weit gekommen seid, hängt Euch nochmal richtig rein! Es ist hart, keine Frage, und man hat auch wirklich keine Lust mehr – also nutzt alles, was Euch motiviert (so wie mich das Beitragsbild)! Arbeitet mit Belohnungen, macht es Euch so komfortabel wie möglich. Und dann rafft Euch ein letztes Mal auf und zieht es durch! 🙂

Zum Abschluss hier noch meine diesmaligen Lieblingsfehler, die leider kein Rechtschreibüberprüfungsprogramm finden kann, sondern nur ein Mensch:

  • Er holte eine Falsche Schnaps
  • Das menschliche Zugsamenleben (Jetzt fragt mich bitte nicht, wie dieses Wort zustande kam, ich weiß es echt nicht, :D)
  • (…) wie er ab und zu mit einem bitteren Lächeln lachte.
  • Genknäuel
  • Mit gerechtem Kinn
  • Im Stollen gab er ihm Recht
  • Genua da!

Ende