Kennengelernt habe ich Tim in einem Schriftstellerforum. Nachdem ich in seinem Profil gelesen hatte, dass er auch Comic-Autor ist, musste ich natürlich gleich nachfragen; ich selbst bin immer noch auf der Suche nach einem Zeichner oder einer Zeichnerin. Leider musste Tim mich direkt enttäuschen: Nein, er könne nicht zeichnen. Aber wie, so fragte ich, hast Du dann einen Comic gemacht? Und geht das überhaupt?
Kurze Zeit später hatte ich zumindest auf die letzte Frage eine Antwort: Ich hielt die vier Eridani-Bände in den Händen und war begeistert; eine ausführliche Rezension über dieses außergewöhnliche SciFi-Weltraumabenteuer um die Besatzung des interstellaren Raumschiffes Aashwaasaan folgt noch.
Und was die Frage anbelangt, wie man ohne jedes Zeichen Talent einen Comic erstellt, findet Ihr die Antwort/en hier im Interview mit Tim Wöhrle:

Tim Wöhrle alias Dimitri Bennet, Erster Offizier auf der Aashwaasaan

1. Tim, Du hast, ohne zeichnen zu können, zusammen mit Sascha Bragulla einen Comic entworfen. Wer macht denn sowas?, frage ich mich, also stell Dich am besten mal ein bisschen vor!

Ich bin letztes Wochenende 50 geworden, kann mich also nicht mehr wirklich als jung bezeichnen. Ich habe Informatik studiert und auch jahrelang als Softwareentwickler gearbeitet. Seit einigen Jahren programmiere ich aber nicht mehr selbst, sondern bin als IT-Berater tätig, was Spaß macht, aber auch mal recht stressig werden kann. Ansonsten war ich jahrelanger Rollenspiel-Master – daher auch meine Vorliebe für Geschichten und fürs Phantastische – und bin glücklicher Familienvater. Ach ja, und Kochen kann ich auch ganz gut (sagen die, die es essen müssen).

Erste Versuche

2. OK, alles klar. Und wie kam es dann zum Eridani-Projekt? Aufgrund Eurer eigenen Lesevorlieben?

Ja, durch meine nerdige Vorgeschichte habe ich schon immer gern und viel gelesen, und am Liebsten Fantasy/SciFi. Auch Comics und Graphic Novels habe ich schon seit Kindheitstagen konsumiert. Geschichten sind mir schon immer durch den Kopf gegangen, aber es hat mir an der adäquaten Ausdrucksform dafür gefehlt. Beim literarischen Schreiben hatte ich mich bisher nur an Kurzgeschichten versucht, ohne mit dem Ergebnis wirklich zufrieden zu sein.

Eridani sollte ursprünglich als Hörspiel entstehen, weil mein Projektpartner Sascha damals eigene Hörspiele produziert hat, was ich ziemlich klasse fand. Ich fing also an, den ersten Teil als Hörspielfassung niederzuschreiben.
Wir waren also in der Pre-production-Phase für das Hörspiel, als Sascha mit einer Comic-App herumgespielt hat und mir damit eine Richtung aufgezeigt hat, an die ich noch gar nicht gedacht hatte. Comics fand ich, wie gesagt, schon immer toll, bin zeichnerisch allerdings komplett unbegabt :-/
Die Idee, einen Comic auf Fotobasis zu produzieren, fand ich genial. Nach einigen Vorversuchen beschlossen wir, dass es die Sache wert ist. Ich habe den Beginn der Story auf ein Comicformat umgeschrieben (viel weniger Dialoge, mehr auf den Punkt), und wir haben die erste Szene produziert. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch den grundsätzlichen Workflow entwickelt, der sich durch das ganze Projekt gezogen hat.
Dann ging es mit den Castings los, weil wir so wie beim Film natürlich für jede Rolle eine andere Person brauchten. Viele wollten mitmachen, nicht alle waren gleichermaßen dafür geeignet. Insgesamt bestand unser Cast am Ende aus 28 Darstellern und Darstellerinnen, davon etwa 10 größere Rollen.

Alle haben mitgeholfen! Auch diese nette Dame, die im Comic so ganz anders drauf ist …


3. Und wie kann ich mir das vorstellen, wie fängt man womit an?
Eigentlich ähnelte der Workflow bei Eridani eher dem von Dreharbeiten als dem eines klassischen Comics. Es gab ein Storybook, Shootings vor dem Greenscreen und ein digitales Post-Processing, das einen Großteil der Arbeit ausgemacht hat.
Grob kann man sagen: die Darsteller und alles, was sie am Körper tragen und in den Händen halten, ist echt, und alles andere ist digital; entweder aus Computerspielen oder aus einem 3D-Programm. Anfänglich stammten noch alle Hintergründe einem Spiel, und zwar aus Mass Effect 2. Die Erlaubnis dazu hatten wir uns vorab vom Publisher eingeholt. Später habe ich immer mehr mit Blender selbst modelliert. War insgesamt ein Riesenberg an Arbeit, aber gelohnt hat es sich trotzdem!
Wir haben das Ganze arbeitsteilig gemacht: Sascha war der Kameramann, ich der Autor und ‘Regisseur‘, und beide hatten wir gleichzeitig die Hauptrollen inne. Einer der Vorteile, wenn man sein eigener Boss ist 😉
Den digitalen Workflow hatten wir uns auch aufgeteilt.

Liebe zum Detail zeichnet auch den Comic aus!

4. Habt Ihr Screenplay bzw. Storyboard nur geschrieben oder auch gezeichnet?

Ich habe hin und wieder gezeichnet, oder besser gesagt: Es versucht. Allerdings war die Qualität so unterirdisch, dass ich es keinem zumuten konnte. Für aufwändigere Szenen, z.B. Action-Sequenzen, haben wir vorher ein fotografisches Screenplay erstellt, ähnlich zu einem Storyboard, wie man es vom Film kennt.

„Billig basteln“ hat Tim hier tituliert. Was genau, sieht man auf dem nächsten Bild …

5. Mit welchen Programmen habt Ihr gearbeitet?

Für den größten und aufwändigsten Teil der Arbeit, das Compositing, haben wir mit Adobe Photoshop verwendet. Die Hintergründe, die anfangs aus die aus Mass Effect stammten, habe ich ab dem dritten Band zunehmend selbst entwickelt, und zwar mit Blender, einem phantastischen, frei verfügbaren 3D-Programm. Für den eigentlichen Comic, also die Panels, Sprechblasen etc. haben wir Comic Life eingesetzt.


Et voilà: Ein bisschen was am Computer gemacht und schon hat man eine coole SciFi-Lampe!

6. Das Dumme bei solchen Projekten ist ja, dass man immer weiter machen könnte – habt Ihr Euch für jeden Band eine Deadline gesetzt oder tatsächlich erst aufgehört, als für Euch alles perfekt war?

Echte Deadlines hatten wir bei einem komplett in Eigenregie durchgeführten Projekt ja nicht, was sowohl Vor- als auch Nachteile hatte. Die ersten zwei Bände haben wir relativ schnell durchgezogen, und hatten uns eine selbst gesetzte Deadline in Form einer Release Party gesetzt. Bei Band 3 und 4 gab es dann einen ziemlichen Durchhänger, der fast zum Projektabbruch geführt hätte. Ich war in der Zeit dauernd auf Dienstreisen und hatte kaum Zeit für Kinder und Beziehung, geschweige denn für den Comic. Aber es war noch furchtbar viel zu tun, insbesondere für den letzten Band, der der umfangreichste und technisch aufwändigste ist. Dazu noch die Pflege der Website, der Kontakt mit der Community etc. Ehrlich gesagt war es zwischendurch ein „Augen zu und durch“. Ich war heilfroh, als die Szenen im Kasten waren, und hätte keine Energie mehr für endlose Überarbeitungsrunden aufbringen können.

So sieht es also bei einem Comic-Shooting im heimischen Wohnzimmer aus …

7. So viel Arbeit, so viel Mühe … Wäre es da nicht einfacher gewesen, zeichnen zu lernen? (Diese Frage ist natürlich nicht ganz ernst gemeint. 😉 )

Ich sag nur: Schuster, bleib bei Deinen Leisten!

Meine Zeichen-Skills sind so niedrig und sie zu steigern, hätte so lange gedauert, dass ich wahrscheinlich immer noch im ersten Band feststecken würde.

Diese Szene ist im Endergebnis ziemlich fies und blutig …


8. Wie ging es dann weiter?
Da man das Ganze ja nicht nur für das eigene Wohnzimmer machen möchte, sondern hinaus in die Welt will, haben wir die Bände in einer kleinen Auflage selbst drucken lassen und zum Selbstkostenpreis vertrieben. Wir waren damit bei einer Reihe von Comicmessen, und ich hab dort auch den einen oder anderen Vortrag gehalten, aber als richtiges kommerzielles Projekt konnten wir das Ganze nicht launchen – dafür ist der Comicmarkt in Deutschland zu klein, und das Ganze ist zu exotisch. Es gibt eine kleine Handvoll vergleichbarer deutscher Comic-Projekte (in Zahlen: drei), aber auch die betreiben das als Hobby, nicht kommerziell.
Aber Spaß gemacht hat das Ganze trotzdem und es ist immer noch toll, die Bände in der Hand zu halten. Und letztendlich hat mich das Ganze dann doch an die ‚echte‘ Literatur herangeführt: ich habe viel über Storytelling gelernt und hatte das Gefühl, dass ich ganz gut Charaktere entwerfen und Dialoge schreiben kann, so dass ich mich letztes Jahr an meinen ersten Roman gewagt habe 😀

Ein absolutes Bastel-Meisterstück!

Teil 2 des Interviews findet Ihr hier: *KLICK*

Von Monika

Ein Gedanke zu “Nicht zeichnen können, aber Comics machen – 19 Fragen an Autor Tim Wöhrle, Teil 1”

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