Es rappelt mal wieder im Karton. Oder eher gesagt: In den Archiven diverser Serien- und Filmanbieter. So hat etwa neulich der Streaming-Anbieter HBO den Klassiker „Vom Winde verweht“ aus dem Programm genommen.
Meine erste Reaktion: So ein Blödsinn!
Dann las ich, die Herausnahme des Films sei nur vorübergehend. Der Plan ist anscheinend, dem Film eine Erklärung zum Thema Rassismus und der damaligen problematischen Darstellung von Sklaverei voran zu stellen.
Ich dachte: Jo, wenn`s muss. Aber … muss es denn?
Neulich Abend schaute ich eine meiner Lieblingssendungen. Die Serie stammt aus den 1960ern und spielt am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Protagonisten sind zu geschätzt 99,985% männlich und die Rollenverteilung ist klar. Für die Frauen gibt es die 3K: Kinder, Küche, Kirche. Männer haben hart und pflichtbewusst zu sein – selbst wenn sie dann doch mal andere Gefühle zeigen außer Hunger, müde, Pipi, unerschütterlicher Loyalität und oh la la – und die Familie allein zu ernähren. Die Verantwortung trägt der Mann selbstredend auch allein.
Ja, damals.
Ich habe diese Serie als Kind geliebt und schaue sie auch heute noch gern. Fast. Also … na ja.
Und das kam so:
„Was“, dachte ich mir, „wenn jetzt jemand auf die Idee käme, diese Serie aus dem Programm zu nehmen, weil sie Frauen problematisch darstellt?“
„So ein Schmarrn!“, antwortete ich. „Das war halt damals so. Kann sich ja nicht jeder unrealistisch emanzipierte Hauptdarsteller*innen ausdenken, die es in der Realität nie gegeben hat!“
„Stimm“, pflichtete ich mir bei, „aber andererseits … Mal ehrlich, das Frauenbild, das da vermittelt wird, ist schon schlimm. Irgendwie. Das Männerbild ist auch nicht toll, um ehrlich zu sein, aber wenigstens sind das noch die Helden. Die Frauen dagegen … Uff!“
„Ach, come on! Und nu? Hast Du Angst, dass das wen beeinflussen köntne? Heute?“
„Ja, schon.“
„Ach. Hat es Dich etwa damals beeinflusst? Du bist doch auch kein Heimchen am Herd geworden; und wenn Du es wärst, dann aus freien Stücken. Weil Du (meistens) die Wahl hattest und hast. So what?“
„Ja, schon“ – muss ich zugeben. „ABER: mal ehrlich, als ich ein Kind war, waren das auch noch andere Zeiten!“
„Inwiefern?“
„Na ja, da war man noch … dichter dran irgendwie.“
„Das musst Du mir erklären!“
„Na ja. Als ich Kind war in den 80ern, war vieles noch sexistisch und das Frauenbild gerade erst im Aufbruch begriffen. Da war so eine Serie dann, hm, nicht so schlimm. Irgendwie. Weil ich wusste, das war ‚Damals‘ und ‚Heute‘ ist heute und da sind die Dinger anders.“
„AHA!“, rufe ich aus, „und heute ist damals nicht mehr ‚Damals‘? Weib, Du redest Unsinn!“
„Das scheint mir auch so. Mist.“
„Also was jetzt?“
„Vielleicht“, überlege ich, „geht es hierbei gar nicht um mich. Zugegeben: Mich stören heute ganz andere Dinge als früher. Weil ich älter geowrden bin, klar. Ich bin da mittlerweile wohl auch sensibler geworden; die Diskrepanz zwischen dem Heute und dem Damals der Serie klafft auch einfach viel weiter auseinander als das Damals der Serie und meinem Kindheits-Damals.“
Und tatsächlich kann ich zwischendurch auch nicht mehr einfach so stumm daneben sitzen, wenn der x-te frauenfeindliche Spruch in der Serie kommt. Anfangs machte ich noch Witze darüber, aber mittlerweile … Ja, es nervt. Als würde einem einer ständig sagen: „Frauen sind schwach. Frauen sind dumm“ und so weiter.
Ich gebe zu, ich KÖNNTE mich eventuell doch wieder einfühlen in die Serie, die Gesellschaft „damals“ einfach gut sein lassen, das Geschehen auf dem Bildschirm einfach so genießen, wie ich auch sonst jeden historischen Film oder jedes Buch genieße, das in ferner Vergangenheit oder in einem rückständigen Land spielt, wenn …
„Es liegt an den Kindern!“
„Wie bitte?“
„Das ist es, ha!“ Ich schüttele den Kopf. „Du wirst es nicht glauben, aber ich glaube, es liegt daran, dass ich Kinder habe!“
„Soll heißen…?“
„Ganz einfach: Schon beim Gedanken daran, die Serie mit meinen Kindern zu schauen, gruselt es mir.“
„Weil?“
„Weil sie dann sehen würden, wie die Frauen dort (nicht-)handeln und behandelt werden. Welches Selbstbild sie haben und welches ihnen zugeschrieben wird. Weil sie dann sehen, dass die Serie mir gefällt und das übertragen könnten: Wenn Mama das gut findet, muss es richtig sein.“
„Du denkst nicht, sie könnten das differenzieren?“
„Ab welchem Alter denn? Und aufgrund welcher Basis?“
„Erziehung?“
„Wie soll das aussehen? Soll ich etwa, bevor wir so etwas gucken, mit ihnen reden? Soll ich einen ausführlichen Monolog über die Situation der Frauen oder die Rollenverteilung allgemein damals und heute halten, also, hm, eine Art Kommentar voran stellen, damit sie das Ganze nicht nur als Zeugnis der damaligen Erzählzeit, sondern auch das der damaligen Dreh- und Drehbuch-Zeit sehen?“
„Äh … ja! Klingt nach einer verdammt guten Idee!“
„Sehe ich auch so.“
Mal ehrlich: Wir sind, was wir tun. Nichts prägt uns so sehr wie das, was wir jeden Tag sehen, erleben, machen. Auch wenn jeder von uns gern behauptet, nicht empfänglich für so etwas zu sein – wir sind es doch. Deswegen funktioniert Werbung, deswegen ist das noch immer ein Miliardengeschäft. Wir sind auch, was wir sehen, hören oder lesen. Zensur: von mir ein klares Nein. Sich z.B. durch einen vorgeschalteten Kommentar mit problematischen Dingen auseinandersetzen: Ja.
… vielleicht schreibe ich auch deshalb so gern im generischen Femininum. Weil diese ganzen dummen Sprüche erst so richtig schön in ihrer Lächerlichkeit enttarnt werden, wenn man sie umdreht.
„Kümmere dich gut um deinen Vater“, sagte sie und drückte der achtjährigen Jeanette die Winchester in die Hand. „Du bist jetzt die Frau im Haus.“
Yeah.