Irgendwie war das alles ganz anders gedacht gewesen.
Einfach. Glatter. Unkompliziert eben.
Die Vorgaben waren klar und die Idee wie von allein gekommen. Sie hatte sich vom hintersten Winkel des Gehirns nach Vorne gewunden, war gewachsen und gediehen, hatte hier und da ein paar Krümmungen hingelegt, um sich an die Vorgaben anzupassen, und sich auch ansonsten recht vorbildlich verhalten.

Doch dann ist etwas schief gelaufen.

„Was?“ ist jetzt die entscheidende Frage.
Und die Autorin sitzt da, rauft sich die Haare und versteht nicht, wo sie mit ihrer Geschichte falsch abgebogen ist.
„Die Idee ist klasse!“, befindet sie. „Daran kann es nicht liegen.“
Scheitert es etwa an der Auflösung, dem Twist, dem Ende?
Ja, schon, da passt was nicht. Als hätte sie statt der grazilen Anmut aufeinanderklingender Worte zum Holzhammer gegriffen und passend gemacht, was nicht passte. Handlungen zusammengehämmert, ob sie wollten oder nicht.

Nein, sowas ist unter unserer Würde, jawohl!
Hier wird nicht mit Gewalt geschrieben und zwangsverkuppelt, hier muss ein harmonisches Ineinandergreifen stattfinden, eine geradezu magische Folgerung des Einen auf das Andere.
Also was jetzt?

Amputation, und zwar sofort!
So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig!
Eine annehmbare Alternative wäre, die Geschichte einzuschläfern. Die Geschichte einfach so zu lassen, ist inakzeptabel.

Eine Operation also, dazu braucht es ein Team. Erfahrene Kollegen, die helfen, das Schneidewerkzeug an der richtigen Stelle anzusetzen. Oder ist das zu voreilig? Lieber erst einmal eine zweite Meinung zur Diagnose!

Die Geschichte wird an Kollegen und Kolleginnen geschickt. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit, selbstredend.
Warten, Nägel kauen. Die Zeit fällt ihr Urteil: Niemand braucht lange, um „Boah, ist die Geschichte genial!“ zu schreiben.
Verlegen herumeiern, den richtigen Ton finden, um das zarte Schriftstellergemüt nicht zu beleidigen, aber dennoch konstruktiv zu kritisieren, das ist es, was Zeit braucht.

Die Zweit- und Drittmeinung bestätigt den Verdacht: Die Geschichte ist erkrankt.
Woran ist noch nicht ganz klar, aber die Stelle, ab der es nicht mehr passt, wird immer weiter eingekreist.
Jetzt ist es Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Der Finger schwebt über der Löschtaste. Ab hier läuft es nicht mehr, ab hier muss alles weg.
Oder doch nicht? Lieber per „copy`n`paste“ einige Passagen woandershin verfrachten, zur Sicherheit. Kann man ja vielleicht nochmal brauchen oder einer anderen Geschichte implantieren (Und ja, natürlich ist die Festplatte voll von solchen Textfetzen).

Und nun? Wirklich, ganz ernsthaft und ehrlich? Muss das denn wirklich sein?
Ja, manchmal muss es das. Und sehr oft wirkt es. Löschen, was nicht taugt, nochmal zurück.
Das funktioniert oft, aber nicht heute.
Die Geschichte, beschnitten und vernäht, weigert sich, zu heilen.
„Das wird nichts mehr!“ versus „Aber die Idee ist doch so toll!“

Es gibt ja bekanntlich zwei Arten von Menschen: Diejenigen, die Deadlines hassen und sich von ihnen unter Druck gesetzt fühlen, und solche, die ohne Druck erst garnicht können.
Gemeinsam ist beiden, dass sie den Termin so oder so einhalten müssen.

Und da sitzt sie nun, die Schriftstellerin, und weiß nicht, wie sie die Worte stellen, legen, stapeln soll. Die Geschichte will einfach nicht, als hätte sie einen pubertären Trotzanfall bekommen, lässt sich aber leider auch ebensowenig wie ein menschliches, türenknallendes Äquivalent ignorieren.
Was hilft?
Via Blog rumjammern, die Kollegen und Kolleginnen im Schriftstellerforum nerven, die Familie in die Schaffenskrise miteinbeziehen – kein Schauspiel ohne Zuschauer – und dann?

Wenn man sie nicht aufgeben kann, die Idee, muss man sie vielleicht dennoch ziehen lassen. Und hoffen, dass sie eines Tages wieder vor einem steht. Frisch geduscht, ordentlich und sauber, und vielleicht sogar Blumen mitbringt.

Und ich gehe mich jetzt vor der Deadline verstecken.